Kommentar: Dance-Szene Sommer 2009
Der Sommer ist im vollen Gange. House-Compilations überfluten den Markt wie plötzliche Gewitter die ersten großen Festivals. Genau die richtige Zeit, um zu schauen, was sich auf dem Dance-Markt gerade so abspielt. Eins vorweggenommen: Eigentlich hat der Dance-Freak in diesem Jahr keinen Grund sich zu beschweren.
Dance in abgeschwächter Form
Dance-Sounds haben sogar den Weg zurück in die Charts gefunden! Okay, zum einen findet er nur in poppiger Form wie beispielsweise mit Lady Gaga oder bald Cascada (für die in unserer Community bereits Top 10, wenn nicht sogar Nummer 1-Status prognostiziert wird). Zum anderen werden immer mehr HipHop-Beats tanzbar. Ganz aktuell räumt zum Beispiel Pitbulls „I Know You Want Me (Calle Ocho)“ ordentlich ab. Hier wurde das beliebtes Club-Brett „75, Brazil Street“ von Nikola Fasanos mit Raps des in Miami lebenden Kubaners versehen. Genau hierin liegt meiner Meinung nach auch der Trend des Jahres. Pitbull ist im Ausland mit seinem Mix aus Urban-HipHop-Beats, House und Latin-Style sehr erfolgreich (siehe auch „The Anthem“, „Krazy“, „Hotel Room“ oder „Move, Shake, Drop“). Mit seinem Macker-Getue und den leicht bekleideten Damen in den Video-Clips bringt er außerdem eine ganz neue Coolness auf den Dancefloor. Doch Pitbull ist bei Weitem kein Einzelfall. Auch Tracks wie „Day’n’Night“ von Kid Kudi vs Crookers oder „Bonkers“ von Dizzee Rascal und Armand Van Helden bewiesen in den letzten Wochen, dass sich die beiden Musik-Sparten gut kombinieren lassen. Immer mehr Rapper setzen daher jetzt auf Electro- und House Tunes bzw House-Produzenten laden sich Rapper ins Studio ein. So verschmelzen – nach vielen Stänkereien untereinander – die beiden Party-Musikrichtungen doch noch irgendwie zu einer Einheit. Kaum verwunderlich, dass auch die Black Eyed Peas für ihr aktuelles Album „The E.N.D.“ bei niemand anderen als dem Franzosen David Guetta um zwei Tracks gebeten haben. Einer davon, „I Gotta Feeling“, wird nun sogar der offizieller des elektronischen vorgängers „Boom Boom Pow“. Und David Guetta spannt den Bogen zurück und hat neben der erfolgreichen Top 5-Single mit Kelly Rowland „When Love Takes Over“ auf seinem bald erscheinenden Album noch Künstler wie Akon, Estelle und eben Will.I.Am. mit seiner Bande im Gepäck. Cool!
Wahrer Dance und Download-Verkäufe
Aber genug zu den Mischformen: Mit Hilfe der Download-Verkäufe schaffen es seit einiger Zeit auch charttechnisch bisher eher uninteressante Künstler wie Rockstroh mit seinem deutschsprachigen Hands-Up-Hit „Licht“ oder die Prolls von Frauenarzt mit „Das geht ab“ in die Top 100 – teilweise sogar überraschend hoch. So lohnt es sich auch mal wieder für Künstler wie Paul van Dyk seine alten Hits für Remixe (z.B. von Spencer & Hill) freizugeben und damit promt wieder an den Top 20 zu kratzen. Das ist ja beinahe wie früher … Schade nur, dass hierbei die Cover-Dichte immer noch nicht spürbar abgenommen hat. Dennoch, man kann mittlerweile fast sicher sein: Wenn ein Song in den Top 5 der Dance Charts landet, dann bekommt er Gehör und kann auch bei Media Control und den offiziellen Charts landen. Das war vor wenigen Monaten noch undenkbar.
Compilations in allen Variationen
Auch die Anzahl der Dance-Compilations hat – wie eingangs erwähnt – in letzter Zeit stark zugenommen. Gerade durch die zusätzliche Option eine Online-Edition mit Einzel-Downloads oder als Bundle mit teilweise unglaublich günstigen Preisen auf den Markt zu bringen, ist diese Form der Vermarktung für den Dance-Markt geradezu essentiell. Aufgrund der unterschiedlichen Software leiden hier nur manchmal die InTheMix-DJ-Sets, da diese beim Brennen auf dem heimischen PC oft störende Lücken hinterlassen. Dieses Problem umgehen die meisten Anbieter, indem sie die Tracks online einzeln am Stück verkaufen und gratis einen ewig langen Track als Bonus hinzufügen. Da erkennt man dann zwar nicht mehr, wann welche Nummer anfängt, aber immerhin hat man den Mix „am laufenden Band“. Schaut man sich die Compilations der letzten Monate nun aber mal genauer an, dann unterscheiden sich diese leider meist nur sehr wenig voneinander. Ich unterteile sie gerne in zwei Gruppen:
Die erste sind die Chart-Compilations, die momentan akut unter dem „Kennste eine, kennste alle“-Effekt leiden. Überall „Everybody Be Somebody“ von D.O.N.S., überall der Fedde Le Grand Remix von Sonos „Keep Control“ und auch Mark Knights genialer Remix zu Faithless’ „Music Matters“ ist oft vertreten. Alles tolle Tracks, aber irgendwann ist es mal gut und etwas Abwechslung würde nicht schaden. Gruppe zwei nenne ich die Name-Compilations, die sich alle Jahre wieder fett Schlagwörter wie „Ibiza“ auf die Fahne bzw das Cover schreiben und sich rein über den Namen und das Artwork verkaufen. Diese präsentieren dann meist den derbsten Underground-Sound: Blubbernder Minimal-Groove mit wenig Veränderungen, dezenten Melodien und Vocals als Fremdbegriff. Special-Interesst Musik, die in meinen Augen nur für Beach-Bar und Lounge-Betreiber sinnvoll ist. Persönlich fällt es mir da sehr schwer länger als fünf Minuten intensiv zuzuhören, ganz zu schweigen dazu zu tanzen oder zu feiern. Wie die das wohl auf Ibiza hinbekommen sollen? Vielleicht trinke ich aber auch einfach zu wenig…
Podcasts – die billige Alternative
Eine richtig umwerfende Compilation war also schon länger nicht mehr dabei. Da lobe ich mir doch eine ganz andere Form der Musikbeschaffung: die Podcasts. Noch muss man sie zwar ein wenig suchen, aber wer zum Beispiel bei itunes angemeldet ist, kann sich ohne Probleme und vor allem ohne Kosten (!) ganz aktuelle Sets seiner Lieblings-DJs auf seinen mp3-Player ziehen. Mit teilweise unglaublich neuen Songs! So bieten die drei House-Experten DBN bei ihrem aktuellen Juni-Podcast zum Beispiel die aktuellen Tunes von John Dahlbäck, ATFC, David Tort, Patric La Funk, Dirty South und DBN selbst. Wesentlich aktueller und abwechslungsreicher, wie man es bei den CD-Compilations gewohnt ist. Wahnsinn! So wird man dann auch mal auf den einen oder anderen Geheim-Tipp aufmerksam und kann den Track mit viel Glück dann gleich ganz laden. Bei manchen Nummern in solchen brandaktuellen Podcasts fragt man sich zwar, ob man hier die Rechte ordentlich abgeklärt hat, aber man kann das File es ja auf einer offiziellen Plattform laden. Dann wird für den Nutzer schon alles seine Richtigkeit haben…
Nature One und andere Festivals
Neben den steigenden Verkäufen ihrer Songs werden aber auch in diesem Jahr einige Künstler hauptsächlich durch ihre Bookings in den Clubs und vor allem auf den großen Festivals profitieren. Die ersten wie „Sea Of Love“ oder „Ruhr in Love“ sind bereits vorrüber. Die Mutter aller Festival, die Nature One 2009, liegt aber noch vor uns und findet vom 31. Juli bis 2. August statt. Dabei scheint das von I-Motion übernommene und immer wieder als beliebteste Festival gewählte Event langsam ein wenig auf der Stelle zu treten. Mit 22 Floors wird auf der Raketenbasis in Pydna zwar jede Menge unterschiedliche Sounds von Trance über Jungle bis Hardcore geboten, mit dem großen Electro- und House-Trend tun sich die Organisatoren aber noch etwas schwer. Da hilft selbst das seit einigen Jahren präsente „House of House“ nicht viel weiter. Viele Besucher würden sich gerne über internationale Größen wie David Guetta, Eric Prydz, Steve Angello oder sonst Jemand aus der berühmt berüchtigten schwedischen House-Mafia freuen. Immerhin sind diesmal Sander Van Doorn und Deadmau5 als Live-Act geladen und bieten damit ein wenig frischen Wind. Ansonsten gibt es die mittlerweile übliche Riege an Welt-Stars der DJ-Szene: Paul Van Dyk, Ferry Corsten, Armin Van Buuren, die Disco Boys und natürlich die nationalen Helden. Wie immer eben…
Besser macht es da meiner Meinung nach die neue Event-Reihe „United Respect“, die im Januar ein eindrucksvolles Event mit ganz unterschiedlichen Künstlern auf die Beine stellte. So gab es hier Sets von Joachim Garraud, Armand Van Helden, Pate No.1, Felix Da Housecat, Guru Josh Project und Tiesto. Für Live-Vocals sorgten Tara Mc Donald und 50Cent-Rapper Hot Rod aus der G-Unit. Eine kunterbunte Mischung also. Wie vor Kurzem bekannt wurde, findet die Fortsetzung der Event-Reihe in Deutschland am 22. August in der Lanxess-Arena in Köln statt und deutet mit ersten Teilnehmern wie David Guetta und Axwell wieder auf ein zeitgemäßes Line-Up hin. Auch Sängerin Tara Mc Donald soll wieder mit von der Partie sein. Von diesem Mix könnte sich so manches bewährtes Festival eine Scheibe abschneiden. Mit solch einem Event lässt sich dann auch eine abgesagte Love Parade in diesem Jahr besser verkraften. Es ist sogar ganz gut so, denn die Dichte der Festivals ist mittlerweile ja kaum noch zu bewältigen – und irgendwann braucht auch ein Raver mal seinen Schlaf. Wann genau weiß sicher Herr Lützenkirchen am Besten, den werde ich auf der Nature One mal darauf ansprechen.
Bis dahin wünsche ich allen Dance-Freaks einen tollen Festival-Sommer mit vielen tollen Tracks, wie zum Beispiel „I’m Not Alone“ von Calvin Harris oder „We Are“ von Dirty South. Ahia!