Dream Theater – Black Clouds & Silver Linings
Der Umzug zu Roadrunner Records hat Dream Theater hörbar gut getan. Mit mehr kreativer Freiheit behaftet, wurde „Systematic Chaos“ 2007 eines ihrer besten Alben der Neuzeit – immerhin gibt es die amerikanischen Prog-Legenden bereits seit 1985. Allerdings war auch diese Platte nur ein kleiner Zwischenstopp auf dem langen Weg zu neuen Höhen. Tatsächlich schafft es „Black Clouds & Silver Linings“ diesen Wahnsinn zu toppen mit mehr Härte, ausufernden Songs und dem Abschluss von Mike Portnoys Zwölf-Schritte-Suite.
Souverän eröffnet „A Night To Remember“ als 16minütiger Marathon durch einen Autounfall in Petruccis Kindheit, natürlich inklusive quietschender Reifen und Einschlag. Untermalt wird dieser Einschlag von einer gewissen Härte, während die nachfolgenden Momente der Ungewissheit, des Schocks und der Erholung ruhig, beinahe nachdenklich wirken. Petrucci und Rudess zeichnen sich durch fantastische Soli aus. Dahinter wartet die Single „A Rite Of Passage“, höchst eingängig, durch Soloarbeit an Eindringlichkeit gewinnend und in einem alles umarmenden Refrain schließlich aufgehend. Mit knapp fünfeinhalb Minuten ist die Power-Ballade „Wither“ mit Abstand kürzester Song dieses Albums über die Qualen einer Schreibblockade. Klingt komisch, ist aber so.
Mit „The Shattered Fortress“ beschließt Portnoy seine Zwölf-Schritte-Suite, die mit Motiven der vorangegangenen vier Kleinepen aufwartet. Hier gibt es kaum Zeit für Entspannung oder Luft holen, denn mit rasantem Tempo peitschen Dream Theater durch diese 13 Minuten, etappenweise mit anständiger Thrash-Schlagseite. Krasses Gegenteil ist „The Best Of Times“, das Mike Portnoy über seinen an Krebs verstorbenen Vater geschrieben hat. Es ist allerdings weniger ein Requiem denn eine Hommage mit besonders in der ersten Hälfte sehr fröhlichem und hoffnungsvollem Klangbild. Dahinter wartet das abschließende Monster „The Count Of Tuscany“ – 19 Minuten feinste Labyrinthkonstruktion mit Pink-Floyd-Einschlag. James LaBrie setzt mit leidendem, ängstlichem Unterton perfekt die Angst vor diesem Grafen um, der ihm scheinbar nach dem Leben trachtet.
Auf „Black Clouds & Silver Linings“ gibt es ein regelrechtes Potpourri an progressivem Wahnsinn. Das Material ist etappenweise überhart, dann wieder höchst eingängig und natürlich exzessiv ausufernd. Mit anderen Worten: Die neue kreative Freiheit, die Dream Theater auf „Systematic Chaos“ bereits angedeutet haben, wird auf „Black Clouds & Silver Linings“ zur Vollendung zelebriert und sorgt für ein unbestrittenes musikalisches Highlight. Fans und Interessierten ist die Special Edition zu empfehlen mit Cover-Versionen sowie Instrumentals zum regulären Album.
VÖ: 19.06.2009
Roadrunner Records (Warner Music)
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