Jeanette – Undress To The Beat

(c) Universal Music

Es war einmal eine Pop-Prinzessin, die auf den Namen Jeanette hörte. Zeitweise nannte man sie auch Schnuckelchen oder Frau Biedermann. Letzterem Namen wurde sie jedoch kaum gerecht. Nein, schon allein ihre Kleider oder Kleidchen sorgten für Gesprächsstoff. Den Thron hat sie sich jedoch ersungen, ein wahres Goldkehlchen ist sie nämlich, die Prinzessin. Nahezu drei harte Winter musste ihr Völkchen nun ohne neuer Musik auskommen, allerdings wird jenen jetzt umso mehr eingeheizt: „Undress To The Beat“ – das neue Prinzessinnenalbum soll das Völkchen schließlich wieder zum Tanzen bringen und zum Spaß haben animieren.

Als sie sich eines Tages in ihrem Schlösschen vor dem goldenen Spiegel die Haarpracht kämmte, klopfte es an der Tür: Ein Kammerdiener trat ein und überreichte ihr eine Schriftrolle. Verzückt sprang sie von ihrem Hocker auf, öffnete die Botschaft und begann mit funkelnden Augen zu lesen, was über ihre neue Musik im Hause Beatblogger so gedacht wird:

Das siebte Album. Die Pop-Prinzessin zeigte uns in der Vergangenheit viele Gesichter. Reisen durch die verschiedenen Facetten des Pops schienen ihre Leidenschaft. Nachdem sie ihren Plattenvertrag bei Universal sich schlagerkräftig erträllerte, sollte es doch englisch werden. Die Sprache der Queen. Zunächst feierte man sie als deutsche Britney Spears, danach wurde es immer rockiger und düsterer: Das letzte Album „Naked Truth“ war dem Völkchen wohl etwas zu viel des Guten. So rockig – das gehört sich nicht so für eine Prinzessin, für eine Dame von Welt. So waren einige bereits dabei, ihren Titel abzuerkennen, sie gar abzusetzen. Aber Jeanette schnuckelte weiter, etablierte sich als Quoten-Queen und setzt jetztmit dem neuen Longplayer „Undress To The Beat“ ganz neue Maßstäbe, die beim Völkchen größtenteils wohl abermals für Jubel sorgen werden:

Der midtempolastige Opener „No Rules“ geht inhaltlich darauf ein, dass man sich eben keinen Gesetzen oder Regeln unterwerfen muss – besonders auf der Ebene der Liebe. Und Musik ist eben die größte Leidenschaft der 1,59 m großen Berlinerin. Verraten darf man schon, dass Liebe in einigen Facetten das zentrale Motiv der neuen Songs ist: „There are no rules / no rules that can’t be broken“. Jenes gilt wohl auch für den sehr tanzbaren Titeltrack, der entgegen den Entwartungen bereits die Top10 der deutschen Charts erreichte. Als erste Singleauskopplung erweist es sich als sehr gute Wahl: Ein geeigneter, sehr eingängiger Vorbote auf den Longplayer, der das ein oder andere Experiment nämlich noch bereit hält.

Ebenso beatlastig geht es mit „Chasing A Thrill“ weiter: Parallelen zu Kylie Minogue sind durchaus erkennbar, wenngleich Jeanette stimmlich in anderen Songs noch viel mehr punkten kann. Nach dem elektronischen Ohrwurm-Garant wird es also Zeit für eine Ballade, fast die einzige der LP: In „Teach Me How To Say Goodbye“ wird nun deutlich, wie sehr sich die Stimme der Sängerin veränderte. Jeanette gelingt eine bitterschöne Geschichte über das Ende einer Liebe zu erzählen: „When I gave up you even taught me how to try/ but there’s one m thing to learn / before I spread my wings and fly / you’re gonna have to teach me how to say goodbye“. Autobiographische Züge zum Leben der Pop-Prinzessin sind hier und da spürbar.

„Wild At That“ geht dann auf’s Ganze: Die midtempolastige Nummer wirkt etwas gewöhnungsbedürftig, da der leicht blässliche Refrain etwas in den Song geschnitten erscheint. Nach einem Highlight schreit viel mehr „Feline“ – ein experimenteller Elektro-Pop-Titel, den man gewiss nicht von der Sängerin erwartet hätte. Ein bisschen spielt der Song wohl auf ihre Facettenvielfalt an: „I slink around in silhouette / you never know which me you’ll get“.

Die schauspielernde Sängerin sieht sich aber nicht nur als katzenartig an, sondern vergleicht sich mit einer verlassenen, einsamen Rose: Im selbstgeschriebenen melodischen Track „Solitary Rose“ verarbeitet sie wohl ihr aktuelles Single-Dasein, gibt jedoch ganz positive Aussichten. Das balladeskere Lied würde märchenhaft als Trailer zu einer Telenovela passen, doch da kamen ihr zwei stolzere Rosen anscheinend zuvor. Hier verzichtete man bei der Instrumentierung auch nicht auf Gitarren, die beim letzten Album bei kaum einem Song fehlten.

Unter anderem aus der Feder von Tony Kanal, dem No-Doubt-Mitglied, stammt „Freak Out“: Edgy Elektro-Pop lädt auf den Tanzboden. Mister Kanal macht es einem recht schwer, ‚Nein‘ zu sagen. Jedoch wäre eine klare Ansage besser als ein unentschlossenes Hin und Her – zumindest wenn es nach „In Or Out“ geht: Angedeutete rockige Ansätze treffen hier abermals auf elektronische Elemente. Stimmlich präsentiert sich Jeanette hier auch kraftvoller und weniger zurückhaltend oder leicht verzerrt wie in vorherigen Songs.

Eine nächste Überraschung verbirgt sich danach hinter dem jazzig angehauchten „I Feel Love“. Fast hypnotisierend gleiten die entscheidenenden Zeilen über die Lippen der Berlinerin. Durch die sanfte Instrumentierung gelingt eine sehr angenehme Abwechslung zu den tanzbaren Stücken und „I Feel Love“ stellt zudem gleich die Ruhe vor dm Sturm dar: Hurrican „Material Boy“ erweist sich als wohl eingängigstes und beatlastigestes Stück des Albums. Jeanette singt und rappt – und das könnte durchaus für einen waschechten Sommerhit taugen. „Hot Summer“-Produzent Remee könnte sich die Hände schon mal reiben.

Die nächste Nummer „This Love“ knüpft daran an, jedoch mit etwas mehr rockigeren Ansätzen. Verabschiedet wird sich mit keiner Ballade, dafür mit einem ganz hübschen Popsong, der hier und da an Robyn erinnert. Die frische, positive Aura, die „All Mine“ versprüht, rundet das Album ansprechend ab.

Das mittlerweile siebte Album der Jeanette Biedermann hat es in sich. Rockige Elemente, die es in „Naked Truth“ durchgehend gab, blitzen hier und da durch, jedoch scheint „Undress To The Beat“ um ein Vielfaches tanzbarer und natürlich kommerzeller ausgerichtet: Na, der ein oder andere Hit daraus ist durchaus vorstellbar. Schon beim bislang erfolgreichsten Album „Break On Through“ zeigte die Berlinerin Ecken und Kanten, irgendwo fehlte aber ein roter Faden – das neue Album harmoniert in der Beziehung: Edgy Elektro-Pop trifft auf zwei, drei ruhigere, bzw. balladeskere Lieder. Ihre Wandelbarkeit fasziniert und wird zweifelsohne zu neuer Polarisierung führen. Prinzessin Jeanette atmete tief durch. Sie warf einen Blick zurück in den Spiegel, rückte ihr Krönchen zurecht und rief dann den Kammerdiener, der ihr eine Kutsche arrangieren sollte: Ihre Reise war nämlich noch lange nicht beendet.

VÖ: 20.03.2009
We Love Music (Universal Music)
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