Eurovision Song Contest 2009: Vorschau (1)

Eurovision Song Contest

Zwischen Tradition, Pop und Kitsch – der jährliche Musikwettstreit des Eurovision Song Contest wird auch bei seiner 54. Ausgabe für Kontroversen sorgen. Nach Einführung der zwei Halbfinale 2008, um die Vergabe von Länder-Sympathiepunkten anteilig einzudämmen, gibt es auf organisatorischer Seite auch dieses Jahr Neuregelungen. Dabei geht man noch einen Schritt weiter und lässt die Telefonabstimmung des Publikums nur noch zur Hälfte in die Wertung einfließen. Nationale Jurys bestimmen die anderen 50% des jeweiligen Ergebnisses. Was jedoch weiterhin zählt, ist die Show und der jeweilige Song, den ein Land ins Rennen schickt. beatblogger hört voraus, was uns am 16. Mai in Moskau erwartet. Heute Teil 1 zum ersten Semifinale.


Aufgrund des Halbfinalsystems ist jedes Jahr eine Auslosung notwendig, die darüber entscheidet, welches Land mit welchen anderen Ländern in welchem Semifinale steht. Für das erste am 12. Mai darf man sich freuen, unter anderem auf den viermaligen Sieger Schweden, das trotz seiner bisher 42 Teilnahmen sieglose Portugal (Rekord), und einen Hattrick für Malta.


Bosnien-Herzegowina

Regina

Ähnlich wie hierzulande, läuft es in Bosnien-Herzegowina ab. Man trifft eine interne Wahl, welcher Künstler das Balkanland repräsentieren darf. Aus 79 Bewerbern setzte sich schließlich die Rockband Regina durch. Musikalisch machte man sich bisher vor allem in Jugoslawien einen Namen. Der Trennung 2000 und Reunion sechs Jahre später folgt nun die Teilnahme am ESC mit dem Song „Bistra Voda“ (’Sauberes Wasser’). Mid-Tempo-Rock in Heimatsprache verspricht ein authentischer Auftritt zu werden.
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Schweden

Wie gewohnt, hatte sich der schwedische Beitrag über das dortige ’Melodifestivalen’ zu qualifizieren. Dessen Finale stieg am 14. März in Stockholm und avancierte zu einem Abend der Oper. Denn es gewann die Mezzo-Sopranistin Malena Ernman, ihres Zeichens und Stimme eine erfolgreiche Opernsängerin. Der Titel ihres Songs spricht für sich: „La Voix“ (‚The voice‘). Eine elektrisierende Pop-Arie funkelt dem Zuschauer entgegen. Umgeben von einer schwarz-weiß-dominierten Bühne, greift Ernman diesen Glanz auf, weiß ihn mit klar artikulierten Strophen oder ihrer Arienstimme im Chorus abzubilden und lässt sich final von einem Chor untermalen. Das englisch-französische Werk wusste offenbar zu überraschen – es setzte sich in Stockholm immerhin gegen renommierte Namen wie Alcazar oder Big-Big-World-Emilia durch – und wird selbiges auch in Moskau versuchen.

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Israel

Für Israel hieß es bisher oft, vorne oder gar nicht mit dabei. Dieses Jahr wurde durch eine interne Nominierung entschieden, dass die hebräische Sängerin Noa ihr Land in Moskau vertreten darf. Gerüchten zu folgen, stimmte sie jedoch nur unter der Bedingung zu, zusammen mit ihrer israelisch-arabischen Freundin, der Schauspielerin und Sängerin Mira Awad auftreten zu dürfen. Die Inszenierung einer Friedensbotschaft ist uns gewiss. Unter dem Namen Noa & Mira Awad wird man mit dem Titel „There Must Be Another Way“ antreten. Klingt Englisch, ist es jedoch nur im Refrain. Denn in dem durchweg getragenen Popsong singen die beiden Damen ansonsten auf Hebräisch und Arabisch. Herrlich unaufregend.

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Belgien

Ebenfalls intern nominiert wurde Patrick Ouchène als Repräsentant für Belgien. Der 43jährige aus Brüssel ist Sänger und Leadgitarrist seiner Band Runnin’ Wild, einem festen Namen für Rockabilly. Genau dieses Faible mit der Stimme von Elvis Presley soll nun das Lied „Copycat“ in den Wettbewerb tragen – ein Tribut an den King of Rock’n’Roll in Moskau. Sehr infektiös, auch dank femininem Backgroundgesang. Ob es dort einmal oder gar zweimal erklingen wird bleibt abzuwarten. Es wäre der erste Finaleinzug Belgiens seit 2004.
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Andorra

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wählte Andorra seinen Interpreten nicht mehr intern, sondern aus drei Finalbeiträgen aus. Auflage war, dass der Song vorrangig in Katalanischer Sprache verfasst wurde. Genau dies trifft auf „La Teva Decisió“ (’Deine Entscheidung’) von der gebürtigen Dänin Susanne Georgi zu. Dass er ursprünglich englischsprachig war, verraten nur noch ein paar übergebliebene Zeilen. Verpackt in einem sympathischen Arrangement aus Gitarre und Klavier, setzt die Sängerin ihren niedlichen Gesang solide in Szene. Das Ziel des Zwergstaats muss dennoch sein, überhaupt den Sprung ins Finale zu schaffen.
Susanna Georgie @ MySpace

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Tschechien

In der erst seit 2007 teilnehmenden Tschechischen Republik entschied die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, dass dieses Jahr die HipHop-Formation Gipsy.cz das Land vertreten solle. Keine bemerkenswerte Entscheidung, hatte das Quartett es bereits in den beiden vergangenen Jahren über den nationalen Vorentscheid probiert, allerdings nie gewonnen. Zwei Alben erreichten bisher die heimischen Charts und auch MTV soll schon Notiz genommen haben. Etwas Aufstehen wird der Gruppe ebenfalls im Halbfinale gewiss sein, wo man mit der Nummer „Aven Romale“ (‚Come in Gypsies‘) antreten wird. Ob die bunte Packung aus amerikanischem Rap vereint mit traditionell verankerten Klängen zum Erfolg führen wird, lautet dann die spannende Frage.
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Montenegro

Andrea Demirovic

Erstmals nahmen Serbien und Montenegro 2007 voneinander getrennt am ESC teil. Die Bilanz seitdem: Montenegro schied zweimal im Halbfinale aus, Serbien gewann im gleichen Jahr und holte die Veranstaltung nach Belgrad, wo man selbst sechste wurde. Zeit also für Montenegro, nun zur ultimativen Geheimwaffe zu greifen: Ralph Siegel. „Just Get Out Of My Life“ heißt der Titel, den Siegel mitkomponiert hat, allerdings nur als ’Peter Match’ in den Credits steht. Gesungen wird der Song von der montenegrinische Sängerin Andrea Demirovic. Die Musikstudentin trat bereits 2005 im Vorentscheid an und erreichte den fünften Platz. Dieses Jahr verfügt sie über einen Uptempo-Poptitel mit gefälliger Melodie, hat es allerdings nicht leicht, dort gesangliche Glanzpunkte zu setzen.

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Island

Die Isländer geben sich echt Mühe, veranstalten sie gar zwei Semifinale und ein Finale, um ihren Künstler zu finden. Gefunden haben sie Jóhanna Guðrún Jónsdóttir. Die junge Sängerin ist in Dänemark geboren, allerdings in Island aufgewachsen und soll dieses nun in Russland vertreten. Angeblich stand sie bereits im Alter von neun Jahren erstmals auf einer Bühne. Selbige des ESC wird „Is It True“ verzaubern. Denn es erklingt eine wunderschöner, melancholischer Pop. Streicher harmonieren sanft mit dem zeitlosen Gesang Jónsdóttirs, decken hier geradezu kostbares Potential auf. Trotzdem wird es das westlichste aller Teilnehmerländer schwer haben, da man sich nach drei Minuten kaum mehr an den Zauber erinnert.

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Georgien

3G

Eigentlich wollte man in Georgien dieses Jahr nicht teilnehmen, entschied sich allerdings nach dem Sieg bei der Junior-Ausgabe des ESC doch dafür. Nach dem Debüt vor zwei Jahren, bei dem Sophos „Visionary Dream“ den respektablen 12. Platz erreichte, kletterte man zuletzt mit der blinden Sängerin Diana Gurzkaja sogar noch um eins hoch. Dieses Jahr soll es mit der Formation Stephane & 3G, präsentiert durch drei Damen, weitergehen. So das Ergebnis der nationalen Jury-Televoting-Wahl. Sie laden ein zum Disco-Boogie. Leicht elektronisch gelagert, fruchtet das energiegeladene „We Don’t Wanna Put In“ auf Anhieb. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, schriebe man die letzten beiden Worte des Titels zusammen…

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Nachtrag, 13.03.2009: Nachdem der Song von der Europäischen Rundfunkunion als politisches Statement eingestuft und damit disqualifiziert wurde, verzichtet Georgien auf eine weitere Teilnahme an dem Wettbewerb.


Bulgarien

Bulgarien ist eigentlich immer für eine Überraschung gut. So wie 2007, als man mit „Voda (Water)“ trotz dessen bulgarischem Lyrics auf Platz 5 kam. In einem aufwändigen Vorentscheid ging für die Reise nach Russland der bulgarische Songwriter Krassimir Avramov als Sieger hervor. Sein Song „Illusion“ verfügt über eine mysteriöse Inszenierung und ist gesanglich wohl ebenso leicht gewöhnungsbedürftig. Allerdings mausert sich das Stück kontinuierlich. Hoffentlich auch rechtzeitig fürs Halbfinale, wo im letzten Jahr bereits Schluss war.

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Portugal

Gleich dem neuen ESC-Voting-Modell, entschied bereits die 50/50-Verteilung über den Repräsentanten für Portugal. Zwölf Kandidaten stellten sich dem Publikum, das ausschließlich in Heimatsprache gesungene Titel zu hören bekommen sollte. Sieger wurden Flor-de-Lis mit dem Titel „Todas As Ruas Do Amor“. Nach der Jury-Meinung, der beste Song, dazu gab Platz zwei beim Televoting den Ausschlag. Geboten wird eine tanzbare Latino-Nummer mit Gitarreneinstieg und Akkordeon. Aber keine Angst, mit Aufblühen des weiblichen Gesangs entfacht sich zwar eine ungewöhnliche, jedoch keinesfalls unsympathische Nummer. Das Weiterkommen sollte möglich sein.

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Schweiz

Lovebugs

Unsere Nachbarn sind nach den Nicht-Qualifikationen der beiden vergangenen Jahre nicht zu beneiden. Was DJ Bobos Euro-Pop und Paolo Meneguzzis Balladen-Schnulze verwehrt blieb, probieren nun die Lovebugs aus Basel. Erfahrung spielt dabei eine Rolle, die das Quintett nach 16 Bandjahren und zehn Album mitbringt. Ihr Titel „The Highest Heights“ ist zum mit der Zunge schnalzen. Man begibt sich auf alternative Pfade, spielt Britpop, erweckt gleitende Flächen und harmonische Gitarren zum Leben. Ob das versierte ESC-Publikum allerdings bereit dafür ist, wird abzuwarten sein. Viel Glück, ihr von Nebenan!
Lovebugs @ Home

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Mazedonien

Auch Mazedonien bemühte Jury und Televoting, um in dem musikalischen Brüderpaar Next Time ihren Vertreter für den ESC zu finden. Ein Punkt Vorsprung für ihren Rocksong „Nesto Sto Ke Ostane“ ließ das seit 2008 formierte Duo jubeln. Es werden ordentlich Gitarren aufgefahren, man lässt die Funken sprühen und singt auf Mazedonisch. So klingt ein amtlicher Rockeinstand. Die grundsolide Qualifikation liegt im Bereich des möglichen. War man doch im Semifinale vor einem Jahr auf Platz zehn gelandet und nur aufgrund der Jurystimme nicht ins Finale eingezogen.

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Finnland

War man von Finnland bisher Riffings und die rockige Breitseite gewohnt, wird man dieses Jahr überrascht sein: „Lose Control“ von der Formation Waldo’s People ist Eurodance. Partytauglich getrimmt, erklingt ein munterer Wechsel zwischen weiblichem und männlichem Gesang. Immerhin taucht in kurzes Gitarrensample auf. Fehlen eigentlich nur noch die Cheerleader. Mag verheißungsvoll klingen, könnte – ähnlich dem britischen Kitsch der vergangenen Jahre – aber auch voll auf die Schnauze fliegen. Man darf gespannt sein.
Waldo’s People @ Home

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Weißrussland

Ähnlich Mazedonien, setzt man 2009 ebenfalls auf die Marke Rock. In einer eindeutigen Publikumsentscheidung setzte sich der herzliche Rocksong „Eyes That Never Lie“ durch. Dessen Interpret, Petr Elfimov, ist international zwar ein unbeschriebenes Blatt, verfügt jedoch über eine eindringliche Gesangsstimme. Seine blondierte Mähne könnte allerdings von unvorteilhafter Wirkung sein. Dennoch sollte es hiermit rein musikalisch nach dem letztjährigen Semifinal-Aus wieder klappen.

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Türkei

Nach einer internen Wahl der ausrichtenden Sendeanstalt, fiel die türkische Wahl der diesjährigen Repräsentation auf Hadise. Die 23jährige ist eine belgisch-türkische R&B-Sängerin und war im vergangenen Jahr bereits als ’Bester türkischer Act’ bei den MTV Europe Music Awards nominiert. Sie tritt an mit dem Titel „Düm Tek Tek (Crazy For You)“. Der steht für traditionell verankerte Tanzfreunde, wie sie das Land schon oft ins Spitzenfeld gebracht hat. Gesanglich wird Hadise ihre Highlights zu setzen wissen und dank des auffälligen Rhythmus auch wieder vorne mitmischen. Ihren Auftritt ließ sie sich vom Sender übrigens mit umgerechnet gut 200.000 Euro vergüten.
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Rumänien

Vereinzelte Glanzpunkte wusste Rumänien in der Vergangenheit bereits zu setzen, unter anderem 2005 mit Platz drei und ein Jahr später als Vierte. Dieses Jahr tritt man an mit Elena Gheorghe, dem national aufstrebenden Pop- und Latino-Sternchen des Landes. Ganz dieser musikalischen Natur, ist der Song „The Balkan Girls“ eine latinoreske Partynummer. Zwar ohne gesangliche Höchstleistung, aber dennoch höchst eingängig. Könnte wieder für eine Überraschung sorgen.
Elena Gheorghe @ Home

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Malta

Chiara

Wer in der ESC-Geschichte Maltas zurückblickt, erkennt mühelos die 21 Teilnahmen des südeuropäischen Inselstaats. Das beste Ergebnis waren zwei Silbermedaillen 2002 und 2005. Was läge da näher, als es nun noch einmal mit der gleichen Künstlerin zu versuchen, die die Anforderungen des Wettbewerbs kennt. Somit entschied das Publikum via Televoting: die Opern-Diva Chiara darf Malta zum dritten Mal vertreten. Ihr Song „What If We“ könnte nachhaltiger kaum sein. Wunderbare Flächen eines epochalen Musikstücks sind die Grundlage für Chiaras einflößende Stimme, die einen jeden innehalten lässt. Dieses Solo wird Moskau begeistern – und Malta vorne mit dabei sein lassen.
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Armenien

Auch die noch kurze Geschichte Armenien kann sich sehen lassen: seit dem Debüt 2006 war man stets in den Top-10 platziert. Dieses Jahr treten zwei Sängerinnen mit ihrem Titel „Jan Jan“ an: Inga & Anush Arshakyanner lassen zu einer orientalischen Instrumentierung ordentlich die Hüften kreisen. Ein Appell an den Bewegungsdrang, unterstützt durch leicht exotisch angehauchte Vocals, dürfte Armenien auch dieses Jahr ins Finale bringen.
Arshakyan Sisters @ Home

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Nächste Woche folgt Vorschau Teil 2 über die Teilnehmer des zweiten Semifinales.
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