The Prodigy – Invaders Must Die

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The Prodigy sind ein Phänomen. Egal ob Rocker, Raver oder Electro-Freak – alle fahren sie auf den extrem ruffen Sound der britischen Band ab. Ihr Debüt „Experience“ sorgte mit einer Kreuzung aus Break-Beats, Acid und Rave und dem Reggae-Crossover „Out Of Space“ für erste Beachtung. Bei „Music For The Jilted Generation“ kam der Rock-Aspekt hinzu und sorgte dafür, dass der Sound der Band rotziger wurde und von den unterschiedlichen Fangemeinden aufgenommen, akzeptiert und bald geliebt wurde. Es folgte „The Fat Of The Land“ mit den Hits „Firestarter“, „Breathe“ und „Smack My Bitch Up“, durch die sich The Prodigy einen unkopierbaren Kult-Status einfuhren. 2004 erschien das Album „Always Outnumbered, Never Outgunned“, welches eher ein Electro-Punk-DJ-Set darstellte und wenig auf Live-Performance baute. Soweit die Geschichte. Nach ihrer „Their Law“-Greatest Hits-Tour hatten The Prodigy wieder richtig Lust Vollgas zu geben und neue Tracks zu basteln. Daher haben sie mit „Invaders Must Die“ einen neuen Langspieler inszeniert, der an den alten Status anknüpfen soll. Und das, ohne sich zwanghaft selbst zu kopieren oder aktuellen Trends zu folgen. Viel mehr wollen The Prodigy wieder dagegen halten und ihren selbst geebneten Trampelpfad folgen. Der Sound von The Prodigy schweift nicht lange umher. Er gibt voll auf die Zwölf, greift aggressiv an. Machen wir es also ähnlich: Hält „Invaders Must Die“ was es verspricht? Wird der Fan von damals mit den elf neuen Tracks zufrieden sein?

Dazu müssen wir erst einmal klären, was der Fan von damals denn eigentlich von seiner Kult-Band erwartet: Er möchte Sound, der anders klingt, der zwar groovt, gleichzeitig rockt und eine Atmosphäre aufbaut, dann aber auch alles niederschmettert, überrascht, der kantig ist, beinahe perverse Züge trägt, einzigartig ist. Kurz: er möchte „Tracks full of electric dance/punk, noise and power.” Genau das verspricht tatsächlich auch der Aufkleber auf der neuen LP. Schon der erste Song, der Titeltrack „Invaders Must Die“ hält sich an dieses Versprechen und mischt Break-Beats und Gitarren-Riffs mit Acid-Sounds und ein paar Samples – beinahe möchte man sagen „wie in alten Zeiten“. Einzig die coolen Raps von Keith und Maxim fehlen. Noch, denn bereits bei „Omen“ kommen die beiden Freaks zu Wort. Bei diesem Song, der gleichzeitig die erste Singleauskopplung darstellt, machen The Prodigy alles richtig: Eine eingängige Synthi-Rave-Mellow quietscht zwischen dreschenden Drums und Breaks. Dazu gibt es ein Gitarren-Riff, Rock-Raps und eine skurril geklimperte Kinder-Spieluhr. „Omen“ erinnert tatsächlich verdammt an die Zeiten alter Höchstform. Yeah – der krankhafte Sound ist zurück!

Auch bei „Colours“ und „World’s On Fire“ kommen die beiden Rapper voll zum Einsatz. Hier peitscht dem Hörer der Breakcore nur so um die Ohren, immer wieder ergänzt durch schweißbadende Basslines und rasende Keyboard-Hooks, sowie typischen Rave-Elemente. Allgemein ist ein starker Drang zu den alten Rave-Wurzeln zu erkennen. Auf ihrer vergangenen Tour haben the Prodigy offenbar bemerkt, dass ihre Old-School-Rave-Hymnen am meisten rocken. Zeit also, um davon ein paar neue zu kreieren. Bestes Beispiel hierfür ist „Warrior’s Dance“, dessen Vocals aus einem 90s-Dance-Hit stammen könnten. Als Gegenzug dazu fehlen auf der neuen LP die mythischen Atmosphären-Flächen von „The Fat Of The Land“ oder die Voodoo-Sounds von „Music For The Jilted Generation“. Dafür treffen wir bei „Thunder“ auf altbekannte Sounds. Mit seinen Raggae-Vocals kommt der Track „Out Of Space“ verdächtig nahe, verzichtet aber gänzlich auf die ruhigeren Parts. Die Dance-Sounds erinnern stellenweise massiv an die Anfangszeiten der Band. Ähnliches geschieht bei „Take Me To The Hospital“, bei dessen Intro man sich an den Sound von „Get Ready For This“ von 2 Unlimited erinnert fühlt, bevor der Prodigy-typische Punk-Rotz einsetzt. Dieses überschreiten verschiedener Genres ist ungemein wichtig für den nahezu zeitlosen Sound der Band, denn durch das ständige Aufwirbeln unerwarteter, verzerrter Bässe und Riffs die rostig-dirty über den Hörer herfallen, wirkt auch der alte Rave-Sound kein wenig eingestaubt.

„Invaders Must Die“ kommt ohne Features und Gast-Auftritte aus, einzig für „Run With The Wolves“ wurden Drum-Takes von Schlagzeuger Dave Grohl (Nirvana, Queens Of Stone Age, Foo Fighters) adaptiert. „Run With The Wolves“ gehört durch seine quietschenden Acid-Ausflüge definitiv zu den Songs, die man mehrfach auf sich wirken lassen muss. Generell benötigen einige Tracks wie beispielsweise auch die Garage-Homage „Piranha“ ein wenig Geduld, bevor sie ihre innere Schönheit entfalten. Oft wird man durch die Power und die Horrorcore-Elemente erst einmal platt gewalzt. Aber war das nicht auch schon immer so? Brauchte man nicht immer einen Moment, bevor man die kranken Sounds der Band näher an sich heran lassen konnte? Macht nicht genau diese erste Abneigung und das stechen der Kanten die Liebe zu diesem deutlich anderen Sound aus?

The Prodigy haben mit „Invaders Must Die“ ihren Auftrag erfüllt und überraschen mit einem überzeugenden Sound, den man tief im Inneren schon lange vermisst hat. Ohne Gnade spielen sie ihren ureigenen Style, immer grenzüberschreitend, immer für eine Überraschung gut. Dabei kommt dem Retro-Rave-Faktor eine große Rolle zu. Bleibt schlussendlich natürlich die Frage: ist in unserer aktuellen Musikgesellschaft überhaupt Platz für solch eine kratzige Platte? Antwort: Nein, aber das war damals genauso. The Prodigy haben sich mit ihrem Sound noch nie nach den Interessen der Massen gerichtet und konnten genau damit punkten. Und so hat man sie beim letzten Track ihres 46 minütigen Hardcore-Massakers bei „Stand Up“ bildlich vor Augen, wie sie auf einem riesigen Haufen rostigen Electro-Punk-Schrott stehen und triumphierend ihre Rückeroberung der Musikwelt feiern.

VÖ: 20.02.2009
Vertigo (Universal Music)
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