Indie Guide 06/2009
Wirft man einen Blick über den eigenen Horizont, stellt man manchmal fest, dass es auch schon das Aufsehen über den eigenen Gullydeckelrand getan hätte. Denn selbst im vom Mainstream durchseuchten Singlemarkt Deutschlands lassen sich einzelne Empfehlungen der Independent-Subkultur ausfindig machen. Spontan erblickt wurden Krezips Abschied mit „Sweet Goodbyes“, Crystal Stilts’ „Departure“ sowie „Little Dolls“ von Indochine.
Krezip – Sweet Goodbyes
Von der Schulbank arbeiteten sie sich bis auf die großen Bühnen der Beneluxstaaten vor: Die Mitglieder der niederländischen Band Krezip erlebten seit deren Gründung 1998 einen rasanten Aufstieg. Bereits eine Demo und drei Jahre später landeten sie bei Warner Music. Dort sollte der erste Erfolg zugleich ihr größter werden. Die gefühlvolle Popballade „I Would Stay“ avancierte zum No.1-Durchbruch in der Heimat. Krezip überzeugten jedoch auch mit ihren Live-Qualitäten. – Stolze fünf Alben später heißt nun: all das war einmal. Denn vor kurzem gab die Band ihre Auflösung bekannt. Der Abtritt am vermeintlichen Höhepunkt des Schaffens zum zehnjährigen Bandjubiläum – untermalt durch die letzte Single „Sweet Goodbyes“. Sie ist ein gefühlvoller Song in einer einfachen, aber zugleich zauberhaften Melodie. Mit Akustikgitarre und dezenten Eggshakern erklingen besinnliche Töne, stimmlich durch Annelies Kuijsters und Songwriterin Jacqueline Govaert am Mikrophon zum Besten gegeben. Ihr charmanter Charakter ist tief melancholisch getränkt, lässt aber auch den Sonnenstrahlen genügend Raum, dem Symbol, dass das Leben weitergeht. Man mag von einem kleinlauten Abschied sprechen. Sehr sympathisch ist er dennoch, genau wie Krezip ihren Hörer gegenüber immer waren.
3,5/5 | Download-Single | 30.01.
RCA (Sony)
Hörprobe zu „Sweet Goodbyes“ einblenden
Crystal Stilts – Departure
Bei Crystal Stilts handelt es sich um eine Formation aus Brooklyn, New York. Seit 2003 hat das Quintett um Sänger Brad Hargett und Gitarrist J.B. Townsend seinen eigenen Stil aus Garage-Pop und Post-Punk mit einer psychedelischen Prise Enthusiasmus entwickelt. Neben zwei selbst betitelten EPs stand vorläufig im Vordergrund, eigene Songs zu schreiben und anschließend zu bündeln, ehe im vergangenen Jahr das Debütalbum „Alight of Night“ als Import auf den Markt kam. Hört man nun in das vierminütige „Departure“ rein, schwingt zusätzlich ein Hauch von LoFi mit. Dieser reinrassige Garage-Stampfer ergießt sich mit einer Melange aus Keyboard- und Gitarrenklängen ziemlich ins Ungewisse, taumelt zwischen Ohnmacht und schwermütiger Elegie, stark beeinflusst durch die untergeordnet wirkenden Vocals Hargetts. Von einem großartigen Zauber umgeben, schaffen Crystal Stilts hier so etwas wie ihr eigenes Bewusstsein, sich gar ihre eigene kleine Welt, in der sie ihren Vorbildern nacheifern. Das mögen The Jesus and Mary Chain oder The Velvet Underground sein – mit dem ausgefeilten „Departure“ ist das vortrefflich gelungen.
3,5/5 | Download-Single | 08.02.
Angular Recording Corporation (PIAS)
Crystal Stilts @ MySpace
„Departure“ @ musicload (Hörprobe unter LastFM)
Indochine – Little Dolls
Die Franzosen von Indochine entstammen dem New Wave. So brauchten sie im vergangenen Jahrtausend keinen Vergleich mit Depeche Mode zu scheuen. Gründer und Mastermind von Indochine ist Nicola Sirkis, der 1981 mit seinem Zwillingsbruder Stéphane die Band ins Leben rief. Dessen Tod im Jahr 1999 brachte neben dem Verlust auch eine musikalische Neuorientierung hin zu rockigeren Klängen mit sich. In Belgien und Frankreich besitzt man nichtsdestotrotz einen hohen Stellenwert, wie das bis dato letzte Studioalbum „Alice & June“ 2005 eindrucksvoll mit Platz 1 bzw. 2 in den Charts bewies. – Hierzulande sind Indochine gänzlich unbekannt. Zeit, vielleicht einmal in den neuesten Release „Little Dolls“ hineinzuhören. Zeitlose Gitarrenflächen geben dort den Einstieg, werden jedoch schnell von einem schwermütigen Midtempo-Beat abgelöst. Drums, E-Bass und vor allem ein temporär dominierendes Klavierspiel übernehmen das Zepter. Dazu singt Sirkis in seiner Heimatsprache. Während der Strophen vollkommen bodenständig, blüht der Song erst zum Chorus sehr angenehm auf. Tut niemandem weh, setzt sich jedoch auch nicht auf Anhieb fest.
3/5 | Download-Single | 30.01.
Jive Epic (Sony)
Indochine @ Home | @ MySpace
„Little Dolls“ @ musicload