Ayọ – Gravity At Last

Ayọ

Frohsinn hat ein Gesicht: Ayọ! Nicht nur aufgrund des Namens der nahe Köln geborenen Deutsch-Nigerianerin Joy Olasunmibo Ogunmakin, welcher in der westafrikanischen Yoruba-Sprache für Freude steht, sondern wegen ihrer musikalischen Herzlichkeit. Treffenderweise trug das 2006er Debüt den Namen „Joyful“. Lebendig und authentisch präsentierte sich die kleine Sängerin, deren sanfte Stimme schnell Zugang zu vielen Seelen fand. Handgemachter Soul-Pop der besonderen Art – farbenfroh wie exotische Früchte, intensiv entspannend sowie voller Wünsche, Sehnsüchte und Gedanken aus dem Leben. Ein mehr als ambitionierter Auftritt, der dank Ayọs großer Popularität in Frankreich dort sogar mit Platin belohnt wurde. Große Spuren also, in die der Nachfolger „Gravity At Last“ nun tritt.

Wieder mit Co-Produzent Jay Newland entstand das 14 Stücke umfassende Werk, welches sie in nur fünf Tagen auf den Bahamas aufgenommen haben. Darauf wird Ayọ unter anderem von Pianist und Blues-Musiker Lucky Peterson sowie Dylan-Gitarrist Larry Campbell begleitet. Sie selbst braucht nicht mehr als ein Mikrophon, um musikalisch die „beste Therapie“ zu erzielen, wie die Sängerin es ausdrückt. Und es geht mutig los. Fast aufgescheucht wirkt „I Am Not Afraid“ als funkig-quirliges Intro. Das Tempo weicht dem Blues von „Maybe“. Hammond-Orgel und feine Saitenarbeit schaffen ein lässiges Gewand, auf das sich Ayọs klarer Gesang legt. Ihre Gedanken kreisen um Trennung, den Abschiedschmerz, der vielleicht für alle das Beste wäre. Etwas vom Feinsten gab es jedenfalls schon vorab als Single – „Slow Slow (Run Run)“. Gestrickt aus Akustik- und Elektro-Gitarre, Orgelspiel, Perkussion sowie effektiven Bassstößen erklingt ein lebensfrohes Arrangement mit infektiöser Wirkung. Es lassen sich sogar vereinzelte Strahlen des Leuchtens von „Joyful“ erhaschen.

Durch Campbells Mandoline eingeleitet, durchlebt Ayọ in „Love And Hate“ ein Bad der Gefühle. Allerdings eindeutig mental, musikalisch bleibt es unauffällig. Ganz anders in dem melodiösen „Get Out Of My Way“. Mit Blechbläser-Unterstützung spielt man sanften Reggae, dessen Akzente der leidenschaftliche Chorus setzt. Effektive Backings schmiegen sich zärtlich an das Ohr des Hörers. Dieses vernimmt anschließend Melancholie. „Better Days“ baut auf tiefgängige instrumentale Parts, welche von Ayọ am Piano sowie zwei Streichern gestaltet werden. Einerseits eine Ballade für die große Bühne, andererseits so zart und verletzlich, wie die Erscheinung der Sängerin selbst.

Aber sie verarbeitet längst nicht nur ihre Gefühle. „Change“ greift einen politischen Brennpunkt auf. Religion, Gewalt und, dass deren Zusammenhang nicht Gott gegeben sondern änderbar ist. Musikalisch folgt es dem funkigen Eingangsstück mit Orgelfeuerwerk und der eingängigen Botschaft: „We can change.“ Yes we can! Und wir können träumen. Zu „Piece Of Joy“ sogar äußerst entspannt bei den mehr gesprochenen als gesungenen Zeilen. In „Lonely“ erfolgt musikalisch die Rückkehr zum Reggae. Textlich weichen Abschiedsgedanken den Bedürfnissen, dass man sich doch gegenseitig braucht, wo sich Ayọ fast hypnotisch hineinsteigert. Nach dem klassischen Filler „Sometimes“, beschäftigt sich „What’s This All About?“ mit existentiellen Gesichtspunkten. Trotz des mehrschichtigen Reggaerhythmus bleibt das Stück blass. In „Mother“ trifft dieser allerdings den richtigen Ton, baut auf unterschwellige Celloklänge und fängt Ayọs Gedanken einfühlsam ein.

Hingabe der ganz anderen Art erfährt man im offiziellen Abschluss „Thank You“. Klassisches Piano und ein eindrucksvoller Gospel-Input sind herzensgute Ideen um manch dünne Kontur zu stärken. Eine Akustikversion von „Sometimes“ folgt schließlich als Zugabe. Und diese klingt genau so, wie man es sich von Ayọ wünscht. Denn so schnell „Joyful“ die Herzen erobern konnte, wird es „Gravity At Last“ nicht gelingen. Das liegt keinesfalls an Ayọ selbst, deren Stimme großartig zur Geltung kommt. Allerdings gerät ihre liebenswerte authentische Art mitunter stark ins Hintertreffen. Eine überhastete Herangehensweise, teils schematische Arrangements und zerklüftete Rhythmen gehen auf Kosten der Intensität. Der Hörer mag locker Zugang zu den einzelnen Stücken finden, aber er verweilt nicht. Wie schon im Albentitel angedeutet, ist von Schwerkraft tatsächlich weit und breit keine Spur – an Kraft zumindest etwas vorhanden. Diese fokussiert sich leider auf weniger farbenfrohe Highlights als erhofft. Es scheint, als wäre in den fünf Tagen der Aufnahmen nicht genug Zeit für die kleine, verliebte Detailarbeit geblieben. Live wird das gewiss völlig anders sein, wenn sich Ayọs Charisma auch visuell erleben lässt. Hoffen wir, dass sie davon wieder mehr auf das nächste Album packen kann.

2,5/5 | Album | VÖ: 10.10.2008
MCA Record (Universal)
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Hörprobe „Slow Slow (Run Run)“: