Metallica – Death Magnetic
Fünf Jahre seit dem vermeintlichen Supergau. Bis heute wird „St. Anger“ als Blaupause für den ultimativen Verriss verwendet. Der Befreiungsschlag mit klirrender Snare und Hardcore-Teenage-Angst ist nicht ganz so gut gealtert, wie sich das Metallica gewünscht haben. Live sind sie zu ihren Wurzeln zurück gekehrt und wollen diesen Schwung auf die neue Platte „Death Magnetic“ mitnehmen.
Erstmals seit 1991 hat man den Produzenten gewechselt, Rick Rubin ins Boot geholt. Viel hört man von ihm aber nicht, der Sound ist einer der Hauptkritikpunkte. Laut ist nicht immer besser, eine differenziertere Produktion mit weniger prominenten Drums wäre besser gewesen, zumal Lars Ulrichs Spiel nicht gerade einfallsreich wirkt. Neben den beeindruckenden technischen Fähigkeiten seiner Kollegen wirkt der gute Mann verdammt blass, womit sich in den vergangenen 27 Jahren rein gar nichts verändert hat.
Schon ist sämtliche Kritik abgearbeitet, denn musikalisch ist „Death Magnetic“ eine positive Überraschung, beinahe eine Offenbarung. Man kehrt zurück zu den thrashigen 80er Jahren, vereinnahmt progressive Strukturen des Epos „…And Justice For All“ für sich und lässt gleichzeitig den druckvollen Rocksound der „Load“-Ära nicht vergessen. Vielleicht ist „Load-Thrash“ die passende Bezeichnung für den Sound dieser Platte.
Mit einem schlagenden Herz eröffnet der neue Streich. Bezeichnend, scheint sich Metallica doch selbst neues Leben eingehaucht zu haben. Das Tempo in „That Was Just Your Life“ ist hoch, die Wendungen kniffelig. Und dann ist es da, das Gitarrensolo. Kirk Hammett darf wieder die Flitzefinger über die Saiten jagen, macht sich prächtig. Referenzen an die Vergangenheit setzt vermutlich „The End Of The Line“ am deutlichsten. Nicht nur, dass man das Intro von einem der beiden 2007 live gezockten Songs kennt, die Strophen erinnern stark an „Creeping Death“. Hier tritt nun das angenehm gepacete „Broken, Beat & Scarred“ auf, das nur gelegentlich aufs Tempo drückt. Wenn aber, dann spektakulär.
Erste Single ist „The Day That Never Comes“, eine klassische 80s-Thrash-Ballade, die zur Halbzeit in bester „One“-Manier durchstartet. Maiden lassen grüßen. „All Nightmare Long“ ist ein Highlight, bezieht sich textlich dezent ein wenig auf „Enter Sandman“ und punktet mit einem verdammt eingängigen Refrain. Kein Wunder, dass die WWE den Track als Titelsong für „No Mercy“ verwenden will. Zu den größten Überraschungen zählt „Cyanide“. Nicht wegen seinem „Seek & Destroy“-Refrain, nicht wegen seinem verwinkeltem Auftreten – Rob Trujillo zupft kurze Bass-Solo-Passagen, die beinahe Crossover-Potential offenbaren.
Viel diskutiert ist mit Sicherheit „The Unforgiven III“, eine gar unerwartete Fortsetzung. Das Intro mit Piano und Streichern erinnert eher an Ennio Morricone. Dazu gibt es fantastische Textzeilen („How can I blame you when I can’t forgive myself?“), grandioses Riffing, ein starkes Solo und einen verzweifelten Hetfield, der um Vergebung bittet. Etwas länger braucht da schon „The Judas Kiss“, das wohl an die klassischen, verwinkelten Thrash-Epen Marke „Leper Messiah“ und Konsorten anknüpfen soll. Anfangs verdammt sperrig, erschließt sich langsam aber sicher die spielerische Qualität dieses Klotzes.
An vorletzter Position erwartet den Hörer eine zehnminütige Überraschung. „Suicide & Redemption“ ist das erste Instrumentalstück seit 22 Jahren („To Live Is To Die“ scheidet mit seinem Burton-Gedicht aus). Nach und nach wird Schicht über Schicht aufgetragen, tauchen sogar dezente Referenzen zu „Orion“ auf, bevor Hammett seine Pedale durchtritt. Von vorne bis hinten stimmig, sogar mit dem obligatorischen Fade-In und Fade-Out. Abschließend kommen alle Thrasher auf ihre Kosten. „My Apocalypse“. ist mit fünf Minuten verdammt kurz ausgefallen (verhältnismäßig!) und erinnert in Aufbau und Durchschlagskraft an „Battery“. Furioses wie unerwartetes Finale.
„Death Magnetic“ ist eine willkommene Überraschung. Metallica liefern einen repräsentativen Querschnitt über alle Alben, der zwar längst nicht perfekt ist – Sound, Drums, stellenweise fehlende gesangliche Tiefe, unnötig ausgereizte Passagen – aber trotz Überlänge von knapp 75 Minuten kommt kaum Langeweile auf. Hier ist er also, der erhoffte Befreiungsschlag. Heißen wir ihn willkommen.
VÖ: 12.09.2008
Vertigo (Unversal Music)
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